Conrad der Leutnant by Carl Spitteler

Conrad der Leutnant by Carl Spitteler

Autor:Carl Spitteler [Spitteler, Carl]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Zeno.org
veröffentlicht: 2015-06-28T22:00:00+00:00


Derweilen schnurrte oben Cathri zu Anna heran, rot wie eine Klatschrose. »Im Tanzsaal bediene ich länger nicht«, rief sie, die Arme schmeißend.

»Warum?« schien Anna zu fragen, denn hören konnte man ihre leise Frage von unten nicht.

»Darum!« wetterte Cathri. Hernach entfuhr es ihr: »Weil es Schweine sind!«

Der Pfauenwirt, der dabeistand, lüpfte verächtlich die Schultern,[191] Helene, in der Nähe wirtschaftend, rümpfte spöttisch den Mund, und Anna maß die Bernerin mißtrauisch von oben bis unten. »Es wird wohl noch ein anderer Grund dabei sein«, entgegnete sie anzüglich, mit erhobener, langsamer Stimme, damit es der Bruder höre: »Ihr bedientet wohl lieber an einem andern Ort.« Damit blinzelte sie zu ihm herunter.

»Zwingen kannst du sie nicht«, vermittelte Conrad, an die Mauer tretend.

»Wie soll ich dann einer andern zumuten, was sie verweigert«, rief sie gereizt zurück. »So übernimm doch du das Servieren im Tanzsaal!«

Nun ward er unwillig.

»Im Tanzsaal serviere ich höchstens mit dem Stock oder mit der Reitpeitsche«, rief er.

Bei diesem unbedachten Spruch rückte der Alte herbei, hart an die Mauer, zornbeladen, mit blutunterlaufenen Augen.

Die Kellnerinnen ihrerseits hatten sich in die Nähe gezogen, um die Verhandlung aufzufangen, die sie alle anging. Darüber wurden die Gäste aufmerksam, von denen die nächsten sich gierig erhoben, damit sie keine kostbare Silbe des Wortwechsels verlören. Es drohte ein Auflauf, ja, falls der Alte den Mund erschloß, Schimpf und Schande. Denn an seinen Augen konnte man ablesen, was ihm ungefähr unter der Zunge kochte. Gleichzeitig lärmte vom Tanzsaal ein Aufruhr wegen der mangelnden Bedienung. Kurz, es entzündete sich.

»Wozu ist denn die Brigitte auf der Welt, daß keiner an sie denkt?« schmälte Josephine ablehnend. »Die nimmt es doch, wenns sein muß, mit dem heiligen Antonius in Person auf, mitsamt seinem Schwein.«

Kaum vernahm Brigitte die trauten Töne ihres Namens, so begriff sie sofort, daß sie damit gemeint sei, denn sie verstand ihren Namen und ihre Person geschickt aufeinander zu beziehen.

»Was!« plärrte sie aufgebracht. Es dauerte eine Weile, bis[192] man ihr beigestoßen, worum es sich handle. Dann zuckte sie überlegen die Schultern:

»Die Wagginger sind so gut Menschen wie andere Leute«, erklärte sie entrüstet, mit einem anzüglichen Blick auf Cathri. »Deswegen sind sie noch lange keine Schweine, weil sie zufällig zwei Beine haben, statt vier, wie mancher andere.« Und ohne weiteres stürmte sie mit unternehmender Gebärde die vier Stufen des Treppchens hinan in den Tanzsaal.

So löste sich die Verwicklung und verteilte sich die Entzündung, indem jedes friedlich auf seinen Platz zurückkehrte, ein bißchen ungern, denn wenn man einmal den Hahn gespannt hat, ist es mühsamer, ihn wieder abzuspannen als ihn loszuschnappen.

Cathri aber stattete Conrad von ferne eine scherzhafte Verbeugung ab zum Dank für seine Unterstützung. Und sooft ihre Arbeit sie längs der Mauer vorbeiführte, erteilte sie ihm ein unauffälliges Zeichen des Einverständnisses mit Blick oder Gebärde, oder auch einfach durch Räuspern, das sie mittels der vorschützenden Hand in ein kleines, schüchternes, verstohlenes Kußhändchen auszumünden wußte.



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